Donnerstag, 27. Juni 2013

Prof. Bartz: Performismus

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…so nenne ich derzeit das Phänomen oder auch “Hase und Igel” Phänomen. Ich stosse regelmässig in meinen New World of Work Forschungsprojekten darauf. Und zwar besonders ausgeprägt in Unternehmen, die noch nicht auf neue Arbeitsformen setzen oder noch am Beginn einer New World of Work Transformation stehen.
Was ist Performismus? Performismus lässt sich ganz einfach anhand von Verhaltensmustern erklären. Dazu habe ich einige Beispiele zusammengefasst:
  • Früh um 6.00 Uhr oder 7.00 Uhr schon (vor der Chefin oder dem Chef) ins Büro kommen und dadurch signalisieren, dass man eine tragende Säule der Firma ist.
  • Sandwich oder Sushi-Box mittags am Schreibtisch. Signal:…ich bin ja so busy und wichtig.
  • Ein zweites Sakko im Büro zu haben und das den ganzen Tag über den Bürostuhl gehängt zu lassen ….“Hallo ich bin da“.
  • Abends durch die Büros wandern, damit man von möglichst vielen Managern gesehen wird.
  • Das Notebook im Büro lassen, es laufen zu lassen und die Schreibtischlampe nicht auszuschalten, wenn man geht.
  • Richtig lange im Büro herumhängen – bis 20, 21, 22 oder 23 Uhr.
  • Und natürlich nie vor der Chefin oder dem Chef nach Hause gehen (Mit dem Zweitwagen nach Hause zu fahren und den Firmenwagen demonstrativ in der Firmengarage stehen zu lassen – möglichst nah am Fahrstuhlzugang).
  • Möglichst wenig Urlaub nehmen.
  • Einen richtig satten Urlaubsrückstand aufbauen und dann auszahlen lassen – statt Urlaub zu nehmen. Und das möglichst herumerzählen, um Einsatzwillen zu demonstrieren.
  • Und natürlich ins Büro zu kommen (ist ja Ehrensache), wenn man krank ist. Dieses Phänomen ist unter dem Namen “Präsentismus” bekannt.
  • An Feiertagen reinkommen – vor allem an denen, von denen man weiss, dass die Chefin oder der Chef im Büro nacharbeiten muss.
  • Auch in der Nacht und am Wochenende eMails innerhalb von Minuten beantworten.
  • Anrufe der Chefin oder des Chefs natürlich auch am Abend annehmen und dabei immer fröhlich und einsatzfreudig klingen.
Besonders ausgeprägt lassen sich diese Symptome beobachten in Unternehmen, die überwiegend auf Büropräsenz setzen, wo Führung also im “Sichtflug” passiert (“…ich habe als Führungskraft täglich meine Schäfchen um mich herum”), es noch kein ausgeprägtes Performance Management bzw. dieses nicht primär über quantitative Zielvorgaben gesteuert ist. Wenn diese Rahmenbedingungen zusammen auftreten, demonstrieren MitarbeiterInnen über viele der oben aufgezählten Verhaltsmuster Leistung, Leistungswillen, Commitment und persönliche Wichtigkeit. Umgekehrt verschaffen sich Führungskräfte auf diesem Weg Anhaltspunkte für die Beurteilung von “Leistung”. Ein Spiel im gegenseitigen Einvernehmen unter suboptimalen Bedingungen.
Das Resultat dieser Rahmenbedingungen ist mittelgute oder sogar schlechte Mitarbeiterzufriedenheit und Produktivität des Unternehmens (Dienst nach Vorschrift, hoher Krankenstand, hohe Fluktuationsrate, etc.). Oder positiv formuliert: Es gibt eine Menge Potential nach oben. Und die noch bessere Nachricht: In Unternehmen, die sich schrittweise in Richtung neuer Arbeitsformen entwickeln, reduziert sich das Performismus-Phänomen nach und nach.
Eine Bitte an alle Blog-Leser: Ich suche nach weiteren Performismus-Verhaltensmustern. Welche Beispiele gibt es noch? Bitte mailen contact@michaelbartz.com oder hier gleich Kommentare posten. Es würde mir in meiner Forschung mit Dr. Martina Hartner-Tiefenthaler und meinem Studenten Matthias Ebner sehr weiterhelfen.

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