Dienstag, 20. August 2013

Junge sind digitale Gourmets (derStandard.at)

Dauernd multivernetzt, immer on und gefräßig – soweit der Mythos zur Internetgeneration. Sich mit Netzinhalten zumüllen zu lassen ist aber längst out
Unternehmen lieben die Vertreter der neue Internetgeneration ("Digital Natives"). Als Mitarbeiter sind sie ideal. Sie sind über eMail, SMS, Telefon oder WhatsApp und Skype immer online. Ob am Abend nach der ZIB 2 oder am Wochenende beim Shoppen: Mitarbeiter vom Typ "Digital Native" erreicht man immer. Zudem hat man volle Kontrolle über ihn: Smartphone-GPS, Facebook und generell Social Media machen Digital Natives zu gläsernen Mitarbeitern. Auch als Kunden sind sie ideal. Aufgrund ihrer medialen Freizügigkeit kennt man alle Konsumgewohnheiten und kann sie mit individualisierter Werbung (und nicht nur damit) erreichen. Das Beste: Digital Natives sind mit dem Internet aufgewachsen, weshalb sie diese Durchdringung der Privatsphäre als natürlich und akzeptabel empfinden.
Soweit der Mythos. Doch was ist Realität? Will man wirklich rund um die Uhr immer mehr Inhalte aus dem Internet konsumieren und selber immer mehr Inhalte bereitstellen? Und wollen wirklich alle immer rund um die Uhr mit allen verbunden sein? Und bedeutet "mit Medien vertraut sein" wirklich, Medien permanent zu nutzen?
Hier sind zunehmend Zweifel angebracht: Digital Natives beginnen mit Internet-Inhalten wählerisch zu sein. Sich mit Netzinhalten "zumüllen" zu lassen, ist out. Angesagt ist vielmehr hoch selektives Verhalten, bei dem man auf wenige Quellen mit hoher Qualität setzt. Datenmüll verdirbt nur Spaß und kostet Zeit sowie Lebensqualität. Also: im Extremfall statt permanentem Surfen lieber ein eBook lesen.
Digital Natives sind auch nicht permanent online – vor allem nicht für Arbeitgeber und werbende Unternehmen. Gerade ihre skeptische Einstellung zur neuen Arbeitswelt führt sie dazu, nach Dienstschluss und am Wochenende ausschließlich auf Privatleben zu setzen. Daher bleibt das Notebook auch mal einen ganzen Tag aus und über Filterfunktion die Erreichbarkeit über Smartphone nur auf einen ganz kleinen Kreis begrenzt.
Digital Natives haben auch keine Lust, simultan auf vielen Kanälen aktiv zu sein. Gleichzeitig Fernsehschauen, Internetsurfen, Facebook aktualisieren und WhatsApp-Nachrichten verschicken? Wer kann und will das alles  lesen und aufnehmen? Auch hier beginnt eine Selektivität, die nicht dem Traumbild der Industrie der rund um die Uhr über viele Kanäle vernetzten "Internetgeneration" entspricht.
Auch wenn sich diese Trends erst langsam entwickeln, sind sie bereits ganz klar spürbar und laufen nicht länger auf den unkritisch sich mit Informationen vollfressenden Fastfood Nutzer hinaus. Es passt mehr das Bild der "Digitalen Gourmets": Diese kennen sich zwar perfekt mit den Neuen Medien aus, nutzen dieses Wissen aber dazu, sich konzentriert mit wenigen Medien zu beschäftigen und ganz klar dem Massenkonsum abzuschwören.
Digitale Gourmets sind als Mitarbeiter und Kunden nicht länger nur dumme, passive und steuerbare Objekte: Sind sie etwas fundamental anderes, vor allem aber eine wirklich positive Zukunftsvision. (Der Standard, 17.8.2013)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen