Freitag, 18. April 2014

Büros in der neuen Welt der Arbeit

Mehr als nur die "passende Arbeitsumgebung" - Interview des Standard mit MICHAEL BARTZ und THOMAS SCHMUTZER

Google Office London Quelle: www.stereopoly.de
Mit der Veränderung von Arbeitsweisen bekommt auch das Büro einen neuen Stellenwert. Eine Veränderung der Arbeitsweisen, die alle Unternehmen betrifft, liegt in der Zunahme projektorientierten Arbeitens. Projektarbeit heißt Teamarbeit, und das zumeist abteilungsübergreifend. Infolgedessen herrscht in den meisten Unternehmen ein chronischer Mangel an Meetingräumen. Die Ursache liegt darin, dass die Planungsstandards, die einem Großteil der heutigen Büros zugrunde liegen, veraltet sind.

Diese Standards stellen noch den einzelnen Büroarbeitsplatz in den Vordergrund. Das Ergebnis ist, dass im Verhältnis in 90 Prozent der Büros zu geringe Flächenanteile für Meetingräume eingeplant werden. Unter diesem Mangel leiden Mitarbeiter in betroffenen Unternehmen erheblich, und dieser Mangel führt zu einer signifikanten Reduktion der Produktivität. Neben den Zeitaufwänden für die Raumsuche und Raumbuchung ist nichts unproduktiver, als Meetings in ungeeigneten Umgebungen abzuhalten. Denn die Notlösung ist dann oft ein Meeting im Büroeck oder in der Cafeteria bzw. im hoffnungslos überfüllten Meetingraum, da der passende Raum nicht verfügbar war.

An kollaborativem Arbeiten anpassen

Angetrieben durch Projektarbeit, werden unsere Arbeitsweisen kollaborativer. Diese Entwicklung wird noch beschleunigt durch die Zunahme räumlich flexibler Arbeitsweisen in Betrieben, also von Home-Office und anderen Formen mobilen Arbeitens. Büroplanungsexperte Andreas Gnesda dazu: "Wird mehr auf Distanz und räumlich flexibel gearbeitet, dann verstärkt das den Effekt, dass vollkommen neue Anforderungen an den Büroraum gestellt werden. Dem Büro kommt eine ganz neue Rolle zu."

Bürozeit ist dann nicht mehr primär Einzelarbeitszeit. Stattdessen wird Bürozeit in steigendem Maß zu kollaborativer und kommunikativer Zeit. Das heißt, wer ins Büro kommt, möchte sich abstimmen, austauschen, zusammenarbeiten oder einfach mal wieder die Firma als soziales Umfeld spüren und mit Kollegen und Kolleginnen sozial interagieren. Hierfür braucht es nicht Einzelarbeitsplätze, sondern kollaborative Zonen im Büro. Das können Meetingräume sein, offene Kollaborationszonen, in denen zu zweit oder in Teams flexibel wechselnd zusammengearbeitet werden kann, sowie sogenannte Social Areas - also soziale Treffpunkte in der Firma.

Weniger Schreibtische, mehr Meetingräume

Genau diese Elemente prägen das Bild des Büros der neuen Generation. Und was auch sofort ins Auge fällt, wenn man eines dieser Büros in Wien, Budapest, London oder Paris betritt: Schreibtische findet man weniger. Nurmehr einige Mitarbeiter in bestimmten Funktionen verfügen über fixe Arbeitsplätze. Der Großteil der Mitarbeiter hingegen teilt den Schreibtisch flexibel. Dieses Prinzip nennt sich Shared Desk oder Hot Desk. Die meisten Büros dieser nächsten Generation kommen mit 70 Schreibtischen für 100 Mitarbeiter aus. Viele Unternehmen gehen auch weiter - dort reichen 30 bis 50 Schreibtische pro 100 Mitarbeiter.
Was aber auch auffällt in den Büros der nächsten Generation: Diese sind gesundheitsfördernd ausgelegt. Die Zeiten, an denen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen acht oder zehn Stunden am Tag im Bürosessel einbetoniert wurden, gehören hier weitgehend der Vergangenheit an. Eine Studie von Karen Bartz und Michael Kundi an der Med-Uni Wien zeigt: Büros der nächsten Generation fördern gesundheitswirksame Bewegung.

Bewegungswechsel fördern

Woran liegt das: Durch räumlich mobiles Arbeiten werden über den Arbeitstag hinweg eine Vielzahl von Bewegungswechseln gefördert. Und in den Büros selbst sind die Arbeitsplätze vielfältiger gestaltet. Es gibt Meetingräume mit Stehtischen oder Schreibtische, an denen im Stehen gearbeitet werden kann. Telefonkonferenzen werden im Stehen oder Gehen abgehalten, da Mitarbeiter mit sogenannten Funk-Headsets ausgestattet werden. Und in so manchem Meetingraum finden sich inzwischen sogar manchmal auch Gymnastikbälle als Sitzgelegenheit statt Sesseln.

Generell hält eine Vielzahl alternativer Sitzgelegenheiten, die dynamisches Sitzen erlauben, Einzug in das Büro der nächsten Generation. Die Forscherin Karen Bartz dazu: "Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erreichen in einem Büro der nächsten Generation mehr als die doppelte Schrittzahl im Vergleich zu herkömmlichen Büros. Das fördert nicht nur die Leistungsfähigkeit, sondern langfristig ganz erheblich die Gesundheit." So geht es im Büro der nächsten Generation um wesentlich mehr als nur darum, die passende Arbeitsumgebung für innovative Arbeitsformen zu schaffen. (Michael Bartz, Thomas Schmutzer, DER STANDARD, 12./13.4.2014)

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