Mehr als nur die "passende Arbeitsumgebung" - Interview des Standard mit MICHAEL BARTZ und THOMAS SCHMUTZER
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Diese Standards stellen noch den einzelnen Büroarbeitsplatz
in den Vordergrund. Das Ergebnis ist, dass im Verhältnis in 90 Prozent der
Büros zu geringe Flächenanteile für Meetingräume eingeplant werden. Unter
diesem Mangel leiden Mitarbeiter in betroffenen Unternehmen erheblich, und
dieser Mangel führt zu einer signifikanten Reduktion der Produktivität. Neben
den Zeitaufwänden für die Raumsuche und Raumbuchung ist nichts unproduktiver,
als Meetings in ungeeigneten Umgebungen abzuhalten. Denn die Notlösung ist dann
oft ein Meeting im Büroeck oder in der Cafeteria bzw. im hoffnungslos
überfüllten Meetingraum, da der passende Raum nicht verfügbar war.
An kollaborativem Arbeiten anpassen
Angetrieben durch Projektarbeit, werden unsere Arbeitsweisen
kollaborativer. Diese Entwicklung wird noch beschleunigt durch die Zunahme
räumlich flexibler Arbeitsweisen in Betrieben, also von Home-Office und anderen
Formen mobilen Arbeitens. Büroplanungsexperte Andreas Gnesda dazu: "Wird
mehr auf Distanz und räumlich flexibel gearbeitet, dann verstärkt das den
Effekt, dass vollkommen neue Anforderungen an den Büroraum gestellt werden. Dem
Büro kommt eine ganz neue Rolle zu."
Bürozeit ist dann nicht mehr primär Einzelarbeitszeit.
Stattdessen wird Bürozeit in steigendem Maß zu kollaborativer und
kommunikativer Zeit. Das heißt, wer ins Büro kommt, möchte sich abstimmen,
austauschen, zusammenarbeiten oder einfach mal wieder die Firma als soziales
Umfeld spüren und mit Kollegen und Kolleginnen sozial interagieren. Hierfür
braucht es nicht Einzelarbeitsplätze, sondern kollaborative Zonen im Büro. Das
können Meetingräume sein, offene Kollaborationszonen, in denen zu zweit oder in
Teams flexibel wechselnd zusammengearbeitet werden kann, sowie sogenannte
Social Areas - also soziale Treffpunkte in der Firma.
Weniger Schreibtische, mehr Meetingräume
Genau diese Elemente prägen das Bild des Büros der neuen
Generation. Und was auch sofort ins Auge fällt, wenn man eines dieser Büros in
Wien, Budapest, London oder Paris betritt: Schreibtische findet man weniger.
Nurmehr einige Mitarbeiter in bestimmten Funktionen verfügen über fixe
Arbeitsplätze. Der Großteil der Mitarbeiter hingegen teilt den Schreibtisch
flexibel. Dieses Prinzip nennt sich Shared Desk oder Hot Desk. Die meisten
Büros dieser nächsten Generation kommen mit 70 Schreibtischen für 100
Mitarbeiter aus. Viele Unternehmen gehen auch weiter - dort reichen 30 bis 50
Schreibtische pro 100 Mitarbeiter.
Was aber auch auffällt in den Büros der nächsten Generation:
Diese sind gesundheitsfördernd ausgelegt. Die Zeiten, an denen Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen acht oder zehn Stunden am Tag im Bürosessel einbetoniert
wurden, gehören hier weitgehend der Vergangenheit an. Eine Studie von Karen
Bartz und Michael Kundi an der Med-Uni Wien zeigt: Büros der nächsten
Generation fördern gesundheitswirksame Bewegung.
Bewegungswechsel fördern
Woran liegt das: Durch räumlich mobiles Arbeiten werden über
den Arbeitstag hinweg eine Vielzahl von Bewegungswechseln gefördert. Und in den
Büros selbst sind die Arbeitsplätze vielfältiger gestaltet. Es gibt
Meetingräume mit Stehtischen oder Schreibtische, an denen im Stehen gearbeitet
werden kann. Telefonkonferenzen werden im Stehen oder Gehen abgehalten, da
Mitarbeiter mit sogenannten Funk-Headsets ausgestattet werden. Und in so
manchem Meetingraum finden sich inzwischen sogar manchmal auch Gymnastikbälle
als Sitzgelegenheit statt Sesseln.
Generell hält eine Vielzahl alternativer Sitzgelegenheiten,
die dynamisches Sitzen erlauben, Einzug in das Büro der nächsten Generation.
Die Forscherin Karen Bartz dazu: "Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
erreichen in einem Büro der nächsten Generation mehr als die doppelte Schrittzahl
im Vergleich zu herkömmlichen Büros. Das fördert nicht nur die
Leistungsfähigkeit, sondern langfristig ganz erheblich die Gesundheit." So
geht es im Büro der nächsten Generation um wesentlich mehr als nur darum, die
passende Arbeitsumgebung für innovative Arbeitsformen zu schaffen. (Michael
Bartz, Thomas Schmutzer, DER STANDARD, 12./13.4.2014)
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