Mittwoch, 23. April 2014

Schritt für Schritt zur Veränderung

Die Vision in den Alltag bringen - Transformation in die neue Welt des Arbeitens

Interview des Standard mit MICHAEL BARTZ und THOMAS SCHMUTZER


Die Einführung neuer Arbeitsweisen funktioniert nicht wie ein Elektroschalter - einschalten, und schon ist es hell. Die Transformation einer Organisation muss sorgsam erfolgen. Denn sonst überfordern die Veränderungen die Mitarbeiter und die Führungskräfte. Wichtig ist, dass alle Abteilungen mit an Bord sind. Denn die Veränderung betrifft die Mitarbeiter, Prozesse, Methoden und Technologien im Unternehmen ebenso wie die Gestaltung und die Nutzung der Büroinfrastruktur.

Am Anfang des Transformationsprozesses steht das "Envisioning". Hier gilt es, in strukturierten Workshops im Führungsteam eine New World of Work Vision zu entwickeln, die das Zielbild klar umreißt im Sinne von "Wie soll neues Arbeiten in unserem Betrieb ausschauen? Und was wollen wir damit erreichen?". Wenn dieses Zielbild steht, dann kann die "Transformation Map" aufgestellt werden. Mithilfe der Transformation Map wird festgelegt, wann welche Schritte auf dem Weg in Richtung neuer Arbeitsweisen in den nächsten Monaten und Jahren gesetzt werden sollen. Meilenstein in der Transformation Map ist die "Workstyle Analyse", bei der es darum geht, die Arbeitsweisen der Mitarbeiter im Unternehmen unter die Lupe zu nehmen und zu eruieren, welche Mitarbeitergruppen in Zukunft in welchem Ausmaß mobiler Arbeiten können als bisher. Aus den Workstyles wird auch klar, welche Spielregeln für die Kommunikation und Zusammenarbeit erforderlich sind. Diese Spielregeln werden auch oft "Rules of Engagement" genannt.

Distanz braucht Regeln

Beim Arbeiten auf Distanz sind die Rules of Engagement erfolgskritisch. Diese müssen sorgfältig ausgearbeitet und in der Organisation nach und nach implementiert werden. Dies ist Teil des notwendigen Kompetenzaufbaus in der Organisation, der Mitarbeiter und Führungskräfte gleichermaßen betrifft. Insbesondere Führungskräfte müssen grundlegend umdenken und deshalb sehr sorgfältig auf Führung in virtuelleren Arbeitssituationen vorbereitet werden. Eine Kernkompetenz dabei ist das Führen über Ziele. 70 bis 80 Prozent der Führungskräfte verlassen sich heute noch auf Führungsprinzipien, die auf Verhaltenskontrolle beruhen. Das heißt, es wird neben der Aufgabeerfüllung beobachtet, wie sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Arbeitsplatz verhalten.

Das führt zu "Performismus". Performismus ist ein Begriff der im New World of Work Forschungszentrum an der IMC FH Krems geprägt wurde und steht für Verhaltensweisen der Mitarbeiter, mit deren Hilfe Leistungsbereitschaft und - willen signalisiert werden (ohne, dass unbedingt Leistung dahinterstehen muss). Eine verbreitete performistische Verhaltensweise ist zum Beispiel: "Geh möglichst nicht vor deiner Chefin nach Hause" oder "Nimm Anrufe deiner Chefin auch am Abend an". Wenn Führungskräften allerdings die erforderlichen Kompetenzen vermittelt werden, Mitarbeiter über Ziele zu führen, dann brechen diese Verhaltensmuster auf beiden Seiten auf. Ab diesem Zeitpunkt wird Leistung an Zielerreichung festgemacht, statt an Verhaltensweisen. Diese Veränderungen brauchen Zeit. Die meisten Unternehmen planen zwei bis drei Jahre Zeit für die schrittweise Einführung neuer Arbeitsformen.

Erzielten Fortschritt bewerten

Ganz wesentlich ist dabei, auf dem Weg die erzielten Fortschritte klar bewerten zu können - in klaren Zahlen, Daten und Fakten. Das New World of Work Forschungszentrum an der IMC FH Krems ist genau darauf spezialisiert und begleitet Unternehmen im Transformationsprozess durch sogenannte Erfolgsmessungen. Allerdings muss die Einführung neuer Arbeitsformen nicht immer Jahre auf sich warten lassen.

Es geht auch mittels "Reverse Engineering". Das heißt, neue Arbeitsformen werden mit nur zwei oder drei Monaten Vorlaufzeit eingeführt und alle Anpassungsmaßnahmen erfolgen im Nachhinein. Diese Methode empfiehlt sich für Unternehmen kleinerer und mittlerer Größe. Michael Raberger, CEO von Ricoh Ungarn dazu: "Wir sind bei der Einführung neuer Arbeitsformen in unserer Niederlassung in Budapest den umgekehrten Weg gegangen. So konnten wir innerhalb kurzer Zeit erhebliche Kosten- und Standortvorteile erzielen. Und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schätzen die gesteigerte Arbeitsflexibilität im Betrieb sehr und fühlen sich wohl mit dem Quantensprung in Richtung neuer Arbeitsformen." Viele Wege führen zum Ziel. Erfolgskritisch ist es zu definieren, was durch die Einführung neuer Arbeitsformen erreicht werden soll und woran der Erfolg einer Transformation am Ende gemessen werden kann. (Michael Bartz, Thomas Schmutzer, DER STANDARD, 19./20./21.4.2014)

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