Die neue Welt der Arbeit drückt sich durch und in vielen Aspekten
aus. Doch niemand versinnbildlicht diese neue Arbeitswelt so sehr wie die
Digital Natives
Interview des Standard mit MICHAEL BARTZ und THOMAS SCHMUTZER
Der Begriff "Digital Natives" - oder auch
"Generation Y" genannt - bezeichnet jene Personen, die nach 1980
geboren wurden. Für diese Gruppe haben digitale Medien eine vollkommene Selbstverständlichkeit.
Denn diese Gruppe ist mit Computer, MP3, Handy und Internet groß geworden. Ihre
Angehörigen mussten sich das Wissen um die richtige Verwendung dieser Kommunikationsmittel
nicht gezielt erwerben. Sie haben es - salopp gesagt - mit der Muttermilch
eingesogen.
Soziale Medien wie Facebook und Twitter beherrschen sie perfekt,
und sie wissen, dass man mit originellen Statusmeldungen und kreativen Tweets
Aufmerksamkeit und sich damit Respekt erwirbt. Von Personalchefs gleichzeitig
gefürchtet und geschätzt, tragen sie mehr als jeder andere die Grundsätze der
neuen Arbeitswelt in Unternehmen hinein. Derzeit machen sie etwa 28 Prozent der
österreichischen Bevölkerung aus. Bereits im Jahr 2018 allerdings werden sie
auf 50 Prozent der Arbeitnehmer angewachsen sein. Jeder zweite Erwerbstätige
gehört dann in diese Gruppe!
Selbstverwirklichung und Sinnstiftung
Ein Verschließen vor den Wünschen und Forderungen dieser
Generation Y wird spätestens dann kaum mehr möglich sein. Personalberater
Florens Eblinger (Eblinger & Partner) kennt sie gut: "Diese Generation
ist selbstbewusst, hat klare Vorstellungen vom beruflichen Weg und will von den
zukünftigen Arbeitgebern umworben werden."
Digital Natives streben, mehr als alle Generationen vor
ihnen, nach Selbstverwirklichung und Sinnstiftung. Leistung ist ein Begriff,
der nicht exklusiv für Arbeit eingesetzt wird, denn Digital Natives haben eine
weitaus holistischere Sichtweise. Sie spannen den Begriff "Leistung"
über ihr ganzes Leben - sei es privat oder beruflich. Kindererziehung, Betreuung
der kranken Großmutter oder die Mitarbeit im Fußballverein - auch das sind für
sie Leistungen, die ihnen außerdem Selbstverwirklichung ermöglichen und Sinn
geben. Für sie gehört all das genauso zum Leben wie Erfolg, Karriere und
Beförderungen. Für sie ist all das zu vereinbaren. Und mehr als das, sie
verstehen nicht, warum es sich für ältere Generationen nicht so verhält.
Gehalt hingegen ist ein Hygienefaktor, der rein dafür sorgt,
dass man nicht unzufrieden ist. Zufriedenheit aber erfährt man in Werten wie
Glück, Sinn und Selbstverwirklichung. Deshalb wird genau dafür Zeit geschaffen.
Dass das manchen Vorgesetzten oder Personalchefs ein Dorn im Auge ist, wird
kaum verstanden, denn Kernarbeitszeiten und verpflichtende Anwesenheit ist für
Digital Natives ein Anachronismus. Ein Zeichen dafür, dass man nicht für Leistung,
sondern für Anwesenheit bezahlt wird, und ein Zeichen dafür, dass sich das
restliche Leben, die Wünsche und persönlichen Bedürfnisse oftmals nicht mehr
ausgehen.
Präsentismus hat ein Ende
Digital Natives arbeiten schnell, sie finden neue Lösungen
und Herangehensweisen, und sie stürzen sich in das Abenteuer Job. Damit es für
sie ein Abenteuer bleibt, muss es vor allem sinnhaft sein, Nutzen stiften,
etwas bewegen. Dass man nur im Büro etwas bewegen kann, daran glauben sie
nicht. Ganz im Gegenteil. Sie nutzen alle erdenklichen Kanäle, finden Mittel
und Wege, um ihre Ziele zu erreichen, sie sind Teamplayer, wenn es erforderlich
ist, und Einzelkämpfer, wenn es die Situation so will. Anpassungsbereit und
flexibel, wenn es die Sache erfordert. Effizient, kreativ und hochmotiviert.
Und damit eigentlich Mitarbeiter, die jedes Unternehmen sicher händeringend sucht.
"Wir sind überzeugt, mittels herausfordernder Projekte,
inspirierender Kollegen sowie flexibler Arbeitszeitmodelle das richtige Paket
anzubieten. Denn unsere extrem komplexe Industrie bedarf ständiger Innovation,
und dafür brauchen wir die Generation Y", weiß Georg Schlotter,
Human-Resources-Manager bei BP Europe & Africa von der Wichtigkeit der Digital Natives.
Weg von Anwesenheit, hin zu Leistung
Digital Natives bringen Veränderung, die von vielen als
wenig leistungsorientiert angesehen wird. Sie wollen arbeiten, wann sie wollen
und wo sie wollen, sich eigenartig zu fühlen, wenn sie um 16 Uhr das Büro
verlassen, weil sie ihre Arbeit erledigt haben, käme ihnen nicht im Entferntesten
in den Sinn. Doch solch ein Verhalten erfordert ein gehöriges Maß an Vertrauen
in die eigenen Fähigkeiten, denn natürlich sind sie so weitaus schwerer durch Vorgesetzte
zu kontrollieren. Und es erfordert ein Umdenken, das dann geschafft ist, wenn
niemand mehr im Büro verstohlen auf die Uhr sieht und hämisch grinst, wenn ein
Kollege oder eine Kollegin am frühen Nachmittag das Büro verlässt.
Weg von Anwesenheit, hin zu Leistung. Und dieses Umdenken
wird passieren, dafür werden die Digital Natives schon sorgen. Ihr großer
Trumpf im Ärmel, sollte ihnen ihren vorhandenen Leistungswillen und ihre Erfolgsorientierung
niemand abkaufen, ist die demografische Entwicklung unserer Zeit. Noch sind sie
ein vergleichsweise kleiner Anteil der arbeitenden Bevölkerung, was sich jedoch
rasch ändern wird. Sie sind jedenfalls bereits jetzt die am besten ausgebildete
und internationalste Generation, die jemals den Arbeitsmarkt betreten hat. Georg
Schlotter: "Wichtig für eine erfolgreiche Integration der Generation Y ist
allerdings auch, dass die Unternehmenswerte geteilt und als die eigenen
angesehen werden." (Michael Bartz, Thomas Schmutzer,
DER STANDARD,
26.4.2014)